Polnische Grenzkontrollen angelaufen - Sorge und Migrationsdebatte in Deutschland
Die neuen polnischen Kontrollen an der Grenze zu Deutschland haben hierzulande die Diskussion um die deutsche Grenz- und Migrationspolitik neu entfacht und Warnungen vor einer Belastung der deutsch-polnischen Beziehungen hervorgerufen. Während sich am Montag Kritiker der deutschen Grenzkontrollen für eine Abkehr aussprachen, wies die Bundesregierung derlei Forderungen zurück. Die deutschen Grenzkontrollen seien "ein wichtiges Signal, um das Migrationsgeschehen an den Außengrenzen in der gesamten EU in den Griff zu bekommen", sagte ein Sprecher des Innenministeriums.
Als Reaktion auf die deutschen Grenzkontrollen und Zurückweisungen hatte Polen in der Nacht zu Montag seinerseits Grenzkontrollen zu Deutschland eingeführt. 52 Kontrollpunkte wurden and er Grenze zu Deutschland eingerichtet. Auch an 13 Grenzübergängen zu Litauen führte Polen vorübergehende Kontrollen ein.
Nach den Worten des polnischen Ministerpräsidenten Donald Tusk soll damit "der unkontrollierte Strom von Migranten hin und zurück begrenzt" werden. Tusk hatte wiederholt deutlich gemacht, dass sein Land lieber auf die Kontrollen an eigenen Grenzposten verzichten würde, damit aber auf das einseitige deutsche Vorgehen reagiere.
Die neuen polnischen Kontrollen sind zunächst bis zum 5. August befristet, können aber verlängert werden. Sie sollen vorrangig aus Stichprobenkontrollen bestehen, vor allem von Autos mit mehreren Insassen.
Der Polen-Beauftragte der Bundesregierung, Knut Abraham (CDU), bezeichnete die Maßnahme als "schwere Belastung" für die Grenzregion. Wichtige Produktions- und Lieferketten hingen am behinderungsfreien Grenzverkehr, sagte Abraham dem "Redaktionsnetzwerk Deutschland" vom Montag.
Die Gewerkschaft der Polizei (GdP) forderte vor dem Hintergrund eine enge Abstimmung der Behörden. "Wir brauchen klare Verbindlichkeiten, wann wir Menschen zurückweisen dürfen und müssen und dies muss auch so mit den Nachbarländern vereinbart sein, dass es ein praktikables Verfahren ist", sagte GdP-Bundespolizeichef Andreas Roßkopf der "Rheinischen Post". Er warnte vor einem "Ping-Pong-Spiel" mit Migranten an der Grenze.
Diese Sorge äußerte auch die Linkspartei. "Schon jetzt gibt es Berichte, dass Geflüchtete unwürdig zwischen Grenzkontrollstellen auf deutscher und polnischer Seite hin- und hergeschoben werden", kritisierte die Linken-Abgeordnete Clara Bünger. Sie forderte die Bundesregierung auf, ihre "rechtswidrigen Kontrollen und Zurückweisungen an den deutschen Grenzen" aufzuheben.
Die Bundesregierung wies diese Bedenken zurück. Die Behörden beider Länder stünden in einem stetigen Austausch, sagte der Sprecher des Innenministeriums. So sei das gemeinsame Ziel erreichbar, "eine Ordnung und eine Eindämmung der irregulären Migration zu erreichen". Die Kontrollen erfolgten stets mit Augenmaß.
Bundesaußenminister Johann Wadephul verteidigte ebenfalls die Grenzpolitik der Bundesregierung. Zwar sei das langfristige Ziel die Umsetzung des gemeinsamen europäischen Asylsystems. "Aber bis dahin sind wir natürlich in einer Übergangsphase, in der wir jetzt auch Binnengrenzen kontrollieren", sagte Wadephul am Montag bei einem Besuch in der tschechischen Hauptstadt Prag. "Wichtig ist uns in Deutschland dabei, dass diese temporären Maßnahmen nicht zulasten der Grenzpendler gehen."
Vor negativen Folgen für den Grenzverkehr warnte dagegen Grünen-Bundestagsfraktionschefin Britta Haßelmann. Die Maßnahme sei "schlecht für die Menschen" in der Region, ebenso wie für Handwerk, Wirtschaft und Industrie. Haßelmann sprach von einem "Tiefpunkt" im europäischen Einigungsprozess, den Kanzler Friedrich Merz (CDU) zu verantworten habe.
Vertreter von Wirtschaftsverbänden äußerten sich besorgt über mögliche negative Auswirkungen der polnischen Kontrollen. "Aus der Wirtschaft und insbesondere von den IHKs vor Ort bekommen wir besorgniserregende Rückmeldungen", sagte die Hauptgeschäftsführerin der Deutschen Industrie- und Handelskammer (DIHK), Helena Melnikov, dem "Handelsblatt".
Am Montag äußerten im polnischen Slubice an der Grenze zu Brandenburg polnische Geschäftsleute konkrete Sorge vor Umsatzeinbußen. "90 Prozent unserer Kunden sind Deutsche", sagte etwa die Zigarettenverkäuferin Kinga Dziuba, die aber die Kontrollen befürwortet. Sicherheit sei für sie "wichtiger als Handel".
Der polnische Grenzpendler Marek Klodnicki zeigte sich "sehr traurig" angesichts der neuen Kontrollen. "Wir haben so lange auf offene Grenzen gewartet", sagte der Verwaltungsangestellte, der in Polen lebt und in Deutschland arbeitet. Die Kontrollen würden das soziale und ökonomische Leben zerstören.
H. de Araujo--JDB