
Sinan Selen als neuer Verfassungsschutzpräsident im Amt

Nach Monaten ohne Chef hat der Verfassungsschutz einen neuen Präsidenten. Bundesinnenminister Alexander Dobrindt (CSU) ernannte am Mittwoch den bisherigen Vize-Präsidenten der Behörde, Sinan Selen, wie angekündigt zum neuen Chef des Bundesamtes für Verfassungsschutz (BfV). Der in der Türkei geborene Anti-Terror-Experte ist Nachfolger von Thomas Haldenwang an der Spitze der Kölner Behörde.
"Unsere Sicherheit und unsere Demokratie sind durch fremde Akteure und ausländische Staaten multipolaren Bedrohungen in Form von Spionage, Cyberangriffen und Sabotage ausgesetzt", erklärte Selen zum Amtsantritt. "Internationaler Terrorismus und aktionsorientierter Extremismus sind zentrale Herausforderungen, denen wir uns im Verbund der Sicherheitsbehörden stellen". Das Bundesamt für Verfassungsschutz sei "als Abwehrdienst hierbei in besonderem Maße gefordert".
Selen wurde 1972 in Istanbul geboren. Er kam mit vier Jahren als Sohn türkischer Einwanderer nach Deutschland und wuchs in Köln auf. Der 53-Jährige blickt auf eine lange Karriere in verschiedenen Sicherheitsbehörden zurück. Er bekleidete Ämter unter anderem beim Bundeskriminalamt (BKA), der Bundespolizei und dem Bundesinnenministerium. Seit 2019 ist Selen Vize-Chef beim Bundesamt für Verfassungsschutz.
Seit dem Abgang von BfV-Chef Haldenwang Ende vergangenen Jahres hatte Selen gemeinsam mit Vizechefin Silke Willems den Verfassungsschutz bereits kommissarisch geleitet. Haldenwang hatte sein Amt niedergelegt, um bei der Bundestagswahl im Februar für die CDU zu kandidieren. Den Einzug ins Parlament verpasste Haldenwang aber.
Selen durchlief beim Bundeskriminalamt von 2000 an verschiedene Abteilungen, darunter den Staatsschutz. Nach den Terroranschlägen vom 11. September 2001 gehörte Selen im BKA einer Sonderkommission an, die zu den Attentätern aus Hamburg ermittelte. Im Jahr 2006 leitete Selen nach dem Fund von zwei Kofferbomben in Regionalzügen die Fahndung nach den Tätern.
Anfang 2009 wechselte Selen für zwei Jahre zur Bundespolizei, wo er unter anderem für die Bekämpfung grenzüberschreitender Kriminalität verantwortlich war. Nach der Flüchtlingskrise 2015 wurde Selen zum Türkeibeauftragten der Bundesregierung ernannt. Im Sommer 2016 verabschiedete sich Selen vorübergehend aus dem Staatsdienst und wechselte zum Tourismuskonzern TUI, um dort die Sicherheit der Mitarbeiter, Urlauber, Hotels, Flugzeuge und Schiffe zu verbessern.
Als BfV-Präsident wird sich Selen auch mit der AfD auseinandersetzen müssen. Derzeit läuft ein Rechtsstreit über die Einstufung der Bundes-AfD als "gesichert rechtsextremistische Bestrebung". Diese liegt zurzeit auf Eis, weil die Partei juristisch dagegen vorgeht. Vom Ausgang des Verfahrens und den Inhalten des BfV-Gutachtens könnten auch die Aussichten eines möglichen Verbotsverfahrens abhängen.
P. Gomes--JDB