
Politische Krise in Frankreich: Premierminister überraschend zurückgetreten

Mit dem überraschenden Rücktritt des französischen Regierungschefs Sébastien Lecornu hat sich die politische Krise in Frankreich massiv verschärft: Nur wenige Stunden nach der Vorstellung seines neuen Kabinetts reichte Premierminister Sébastien Lecornu am Montag seinen Rücktritt ein und Präsident Emmanuel Macron nahm diesen an, wie das Präsidialamt in Paris mitteilte. Zuvor hatten mehrere Oppositionsparteien erneut mit einem Regierungssturz gedroht. Sie hatten die weitgehend unveränderte Regierungsmannschaft von Lecornu scharf kritisiert.
Der Parteichef der Rechtspopulisten, Jordan Bardella, forderte umgehend die Auflösung des Parlaments und Neuwahlen. Dies hatte Macron bislang ausgeschlossen. Hintergrund der Regierungskrise ist der Streit um den Haushalt für das kommende Jahr, in dem Frankreich angesichts seiner Staatsfinanzen massive Einschnitte bei öffentlichen Ausgaben bevorstehen. In der Nationalversammlung haben die Linken, das Präsidentenlager in der Mitte und die Rechten jeweils keine eigene Mehrheit.
Ein Auslöser des Rücktritts dürfte die Drohung des rechtskonservativen Innenministers Bruno Retailleau gewesen sein, die Regierung zu verlassen. Die neue Regierungsmannschaft entspreche nicht dem "Neuanfang", den Lecornu zum Amtsantritt versprochen hatte. Retailleau kritisierte insbesondere die Ernennung des langjährigen Wirtschafts- und Finanzministers Bruno Le Maire zum Verteidigungsminister.
Der Rücktritt von Lecornu, der erst seit Anfang September im Amt war und der dritten Regierung innerhalb eines Jahres vorstehen sollte, wirkte sich auch auf die Börse in Paris aus: Der Index CAC40 stürzte am Vormittag um fast zwei Prozent ab.
Der Elysée hatte am Vorabend die Kernmannschaft der neuen Regierung mit 18 Ministern vorgestellt. Davon waren zwölf die bisherigen Amtsinhaber. Mehrere der wenigen Neuzugänge waren ebenfalls ehemalige Regierungsmitglieder. So war Ex-Industrieminister Roland Lescure für die Spitze des Wirtschaftsministeriums vorgesehen. Die Amtsübergaben hätten am Montag stattfinden sollen, am Nachmittag war eine erste Kabinettsitzung geplant.
Die neu ernannte Regierung bleibt nun vorerst geschäftsführend im Amt. Die von Macron bislang ausgeschlossenen Neuwahlen werden wahrscheinlicher.
M. Andrade--JDB