
Schlagabtausch zu Afghanistan: Grüne, SPD und Linke pochen auf Einhalten von Zusagen

In der Bundestags-Debatte zur Aufnahme bedrohter Menschen aus Afghanistan sind am Donnerstag massive Meinungsverschiedenheiten im schwarz-roten Regierungslager deutlich geworden. Gemeinsam mit Grünen und Linkspartei pochten Redner der SPD auf ein Einhaltung der den in Pakistan festsitzenden Afghaninnen und Afghanen gegebenen Aufnahmezusagen. Redner der Union stellten hingegen die Rechtsgültigkeit dieser Zusagen in Frage, die AfD lehnte Aufnahmen Schutzsuchender grundsätzlich ab.
"Deutschland muss zu seinen Zusagen stehen bei denjenigen, die uns geholfen haben oder die Frauenrechte verteidigt haben", verlangte der SPD-Innenpolitiker Sebastian Fiedler. Diese Menschen "brauchen unseren Schutz", die Gefahr für viele von ihnen sei sehr groß. Allerdings sei es richtig, Identität und Sicherheitsrisiken "lückenlos zu prüfen".
Fiedler wandte sich in der von den Grünen beantragten Debatte auch gegen ein "rechtsextremes Framing," das Flüchtlinge mit Verdächtigen gleichsetze. Er verwies darauf, dass 124.000 in Deutschland lebende Afghaninnen und Afghanen Steuern und Sozialabgaben zahlen: "Sie bauen Brücken und sie pflegen unsere Eltern."
"In welchem Land wollen wir leben: in einem Land, das Versprechen abgibt, aber nicht hält, oder in einem Land das Verantwortung übernimmt und Menschen nicht zurücklässt?", fragte der SPD-Abgeordnete Hakan Demir. Er verwies auf Angaben des Bundesinnenministeriums, wonach Ende Mai noch 2384 Afghaninnen und Afghanen mit deutscher Aufnahmezusage in Pakistan festsaßen.
Die aus Afghanistan stammende Grünen-Bundestagsabgeordnete Schahina Gambir machte besonders Innenminister Alexander Dobrindt (CSU) für die jüngsten Abschiebungen von rund 250 Afghaninnen und Afghanen mit deutschen Schutzzusagen aus Pakistan nach Kabul verantwortlich. "Das sind Menschen, die sich mit uns für ein demokratischeres Afghanistan eingesetzt haben", die sich auf Deutschland verlassen hätten und denen nun "Verfolgung und Folter" drohe.
Gambir warf der schwarz-roten Bundesregierung "Rechtsbruch mit Ansage vor", weil sie sich nicht an gegebene Aufnahmezusagen halte und dabei "die Gefährdung von Menschenleben billigend in Kauf nimmt". Es gehe hier um frühere Ortskräfte, Menschenrechtsverteidiger und Frauenrechtlerinnen.
Auch die Grünen-Politikerin Luise Amtsberg machte Dobrindt persönlich für das aktuelle Geschehen verantwortlich: "Dass Pakistan Menschen in den Terrorstaat Afghanistan zurückschiebt, geht auf Ihr Konto", sagte sie.
"Diese Menschen müssen aufgenommen werden", verlangte auch die Linken-Politikerin Lea Reisner. "Es ist ein Skandal, wenn eine Regierung Zusagen gibt und dann nicht handelt", sagte sie in der Debatte.
Der CDU-Politiker Detlef Seif warf hingegen der Vorgängerregierung und besonders der früheren Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) vor, Aufnahmezusagen in "intransparenten Verfahren" unter Beteiligung von Nichtregierungsorganisationen "willkürlich" erteilt zu haben. Seif zweifelte auch eine Gefährdung der Betroffenen an und verwies auf "Sicherheitsrisiken und Mängel" im System der Überprüfungen. Der CDU-Außenpolitiker Jürgen Hardt warb dafür, die Herrschaft der Taliban in Afghanistan "als Realität anzuerkennen" in der Hoffnung, "das Taliban-Regime einzuhegen".
Der AfD-Politiker Markus Frohnmaier warf der schwarz-roten Koalition vor, statt einer Migrationswende die Politik der Vorgängerregierung "nahtlos fortzusetzen". Statt Aufnahmen müsse es Abschiebungen von Menschen aus Afghanistan geben, forderte er.
Anlass der Debatte war ein Antrag der Grünen, in dem die Regierung zur Aufnahme der Afghaninnen und Afghanen mit entsprechenden deutschen Zusagen aufgefordert wird. Zudem sollen die betreffenden Aufnahmeprogramme wieder aufgenommen werden. Eine Anerkennung oder Normalisierung der Beziehungen zu dem radikalislamischen Taliban-Regime in Deutschland wird abgelehnt.
Der Antrag wurde anders als von den Grünen beantragt nicht abgestimmt, sondern mit der Mehrheit von CDU/CSU, SPD und AfD zur Weiterberatung an den Innenausschuss überwiesen.
S. Alves--JDB