Karlsruhe betont: Abschiebehaft muss von Richter angeordnet werden
Die Festnahme von Ausländern zur Abschiebehaft muss von einem Richter angeordnet werden. Ist dies im Ausnahmefall vorab nicht möglich, muss die richterliche Anordnung sofort nachgeholt werden, wie das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe in drei am Dienstag veröffentlichten Beschlüssen betonte. Die Rechte von drei Ausländern, die sich mit Verfassungsbeschwerden an das Gericht wandten, wurden demnach verletzt. (Az. 2 BvR 329/22 u.a.)
Es ging um eine Frau aus der Slowakei und einen Mann und eine Frau aus Eritrea und Fälle aus den Jahren 2017, 2019 und 2020. Die beiden Frauen wurden unmittelbar nach der Abschiebehaft abgeschoben. Die Slowakin musste zurück in ihr Heimatland, weil sie mehrmals straffällig geworden war. Die Asylanträge der beiden eritreischen Staatsbürger in Deutschland wurden abgelehnt, weil Italien für ihre Bearbeitung zuständig war. Darum ging es am Verfassungsgericht nun aber nicht.
Die Betroffenen wollten von Amts- und Landgerichten feststellen lassen, dass ihre jeweilige Festnahme vor der Anordnung von Abschiebehaft rechtswidrig war, hatten damit aber keinen Erfolg. Diese Entscheidungen verletzten ihre Grundrechte, wie das Verfassungsgericht feststellte.
In den drei Fällen lag jeweils nach kurzer Zeit, einer Stunde bis einem Tag, eine richterliche Anordnung vor. Betroffene können aber auch nachträglich ein schutzwürdiges Interesse daran haben, dass die Abschiebehaft rechtswidrig war, wie Karlsruhe erklärte. Denn Menschen kommen nur dann in Abschiebehaft, wenn erwartet wird, dass sie untertauchen oder die Abschiebung erschweren wollen. Die Haftanordnung könne also dem Ansehen der Betroffenen schaden.
In Bezug auf die beiden Frauen planten die Ausländerbehörden schon vor den Festnahmen, sie vor der Abschiebung in Haft zu nehmen, wie das Gericht ausführte. Es seien auch entsprechende Anträge bei den zuständigen Amtsgerichten eingegangen. Warum diese nicht rechtzeitig die Festnahmen anordneten, sei nicht aufgeklärt worden.
In bestimmten Fällen dürfen Menschen, die abgeschoben werden sollen, auch ohne vorherige richterliche Anordnung festgehalten werden. Dann muss die richterliche Entscheidung aber "unverzüglich" nachgeholt werden, wie das Verfassungsgericht erklärte. Nur wenige Verzögerungen seien unvermeidbar, wie etwa Schwierigkeiten beim Transport.
Den Geschäftsschluss des Amtsgerichts am Freitagnachmittag ließ es dagegen nicht als Grund gelten, da es keine allgemein festgelegte Dienstzeiten für Richter gebe. Es sei unklar, welche Anstrengungen das Regierungspräsidium unternommen habe, um einen Richter zu erreichen.
In den Fällen der eritreischen Staatsbürger wurden ihre Grundrechte auch deshalb verletzt, weil es für ihre Festnahmen im November 2017 beziehungsweise April 2019 noch kein deutsches Gesetz als Grundlage gab. Eine entsprechende Regelung für solche Dublin-Fälle, in denen ein anderer EU-Staat für das Asylverfahren zuständig ist, trat aber im August 2019 in Kraft.
M. de Jesus--JDB