
Türkisches Gericht setzt Führungsriege der oppositionellen CHP in Istanbul ab

Im Zuge des harten Vorgehens der Behörden gegen die Opposition in der Türkei hat ein Gericht am Dienstag die Führungsriege der Partei CHP in ihrer Hochburg Istanbul abgesetzt. Als Grund dafür werden angebliche Unregelmäßigkeiten beim CHP-Parteitag im Jahr 2023 genannt, wie aus Gerichtsunterlagen hervorgeht, welche die Nachrichtenagentur AFP am Dienstag einsehen konnte. Die CHP verurteilte den Schritt als "bar jeder rechtlichen Grundlage" und kündigte an, sich dagegen juristisch zur Wehr zu setzen.
Der Gerichtsbeschluss setzt sämtliche am 8. Oktober 2023 auf dem Istanbuler Parteitag getroffenen Entscheidungen mit sofortiger Wirkung außer Kraft. Davon betroffen ist unter anderem das Abstimmungsergebnis zugunsten des Istanbuler CHP-Chefs Özgür Celik, eines Verbündeten des populären Istanbuler Bürgermeisters Ekrem Imamoglum, der ebenfalls der CHP angehört und seit März im Gefängnis sitzt.
Das Gericht ordnet in seinem Beschluss die "vorläufige Amtsenthebung" von Celik, des Vorstands und des Disziplinarausschusses der Istanbuler CHP an sowie die "vorläufige" Wiedereinsetzung derjenigen, die zuvor diese Ämter bekleidet hatten. Der Schritt erfolgt kurz vor einer Anhörung am 15. September in einem fast identischen Gerichtsverfahren gegen die Führungsspitze der CHP.
Die größte Oppositionspartei in der Türkei steht durch die wachsende Zahl von Ermittlungen unter immensem Druck. Imamoglu ist der größte Rivale des islamisch-konservativen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan. Seine Inhaftierung hatte eine Protestwelle in mehreren Städten ausgelöst.
Neben Imamoglu wurden seit Oktober auch neun der 26 CHP-Bezirksbürgermeister von Istanbul inhaftiert, die meisten wegen Korruptionsvorwürfen, die sie jedoch zurückweisen. Auch CHP-Bürgermeister in anderen Städten wurden festgenommen. Imamoglu wirft den Behörden vor, sie wollten ihn politisch ausschalten. Die linksnationalistische CHP war als klare Siegerin aus den Kommunalwahlen im Frühjahr 2024 hervorgegangen.
G. Santana--JDB