
Missbrauch an Schule: Kommission wirft Frankreichs Premier Nicht-Eingreifen vor

Im bisher größten Missbrauchsskandal an einer katholischen Schule in Frankreich hat ein parlamentarischer Untersuchungsausschuss Premierminister François Bayrou schwere Versäumnisse vorgeworfen. Bayrou sei in seinen früheren Ämtern als Bildungsminister und Vorsitzender eines Regionalrats über die Vorwürfe körperlicher und sexueller Gewalt an der Schule informiert gewesen, habe aber nicht eingegriffen, betonten die Autoren des am Mittwoch veröffentlichten Berichts.
Da Bayrou damals auf ein Eingreifen verzichtet habe, habe es "noch über Jahre hinweg körperliche und sexuelle Übergriffe" auf Schülerinnen und Schüler der Bétharram-Schule gegeben, heißt es in dem Bericht des Untersuchungsausschusses.
Einer der beiden Berichterstatter, der linkpopulistische Abgeordnete Paul Vannier, ging noch einen Schritt weiter und warf Bayrou vor, in einer Anhörung vor dem Ausschuss gelogen zu haben. Dies wäre ein Meineid.
Bayrou ist mit der betroffenen Schule eng verbunden, die drei seiner sechs Kinder besuchten. Seine Frau gab dort zeitweise Religionsunterricht. Eine von Bayrous Töchtern erklärte kürzlich, ebenfalls Opfer körperlicher Gewalt gewesen zu sein. Sie warf ihrem Vater vor, er habe damals die Situation nicht wahrhaben wollen.
In den vergangenen Monaten waren Gewaltvorwürfe von etwa 200 ehemaligen Schülerinnen und Schülern gegen Ordensleute und nicht-geistliches Personal der Bétharram-Schule bekannt geworden. Die Bétharram-Ordensgemeinschaft hatte im März ihre Verantwortung für die Vorfälle eingeräumt und Entschädigungszahlungen in Aussicht gestellt.
Premierminister Bayrou war mehr als fünf Stunden lang von dem Untersuchungsausschuss angehört worden. Dabei wich er von seiner früheren Position ab, "nichts" von den Vorwürfen gewusst zu haben und räumte ein, dass er "nur aus der Presse" davon gehört habe.
Der Untersuchungsausschuss machte deutlich, dass Bayrou bereits 1996 über Gewalttaten an der Schule informiert war, als eine erste Anzeige wegen Körperverletzung eingereicht wurde und er selbst einen Bericht in Auftrag gab. 1998 habe er von Vergewaltigungsvorwürfen gegen den ehemaligen Direktor der Einrichtung gewusst.
Die Ausschussmitglieder kritisierten Bayrou zudem für seine Reaktion auf eine frühere Lehrerin, die auf das Gewaltproblem aufmerksam machen wollte. "Die Verwendung des sexistischen Klischees einer 'hysterischen' Frau mit dem Ziel, ihre Aussage zu diskreditieren, ist unerträglich und von Seiten des Premierministers besonders inakzeptabel", heißt es in dem Bericht.
A. de Almeida--JDB